Genussreisen
Die italienische Kulturhauptstadt 2023: Bergamo und Brescia im Wettstreit der Exzellenz
Auf Entdeckungstour durch zwei Provinzen, die konkurrieren und zusammenarbeiten, wenn es um Schönheit, Geschmack und Kultur geht
Bergamo und Brescia sind Hauptstädte benachbarter Provinzen und wurden gemeinsam zur italienischen Kulturhauptstadt 2023 gekürt. Ausnahmsweise reichen sich die beiden Städte die Hand und verfolgen ein gemeinsames Projekt: Werden die beiden am Ende des Jahres ihre Erbfeindschaft beilegen und bei einem schönen Teller gefüllter Casonsei-Pasta die Versöhnung feiern?
In Italien war der Patriotismus gegenüber der eigenen Heimatstadt schon immer eine prägende Kraft – so sehr, dass in den 60er Jahren eine der meistverfolgten Sendungen im italienischen Fernsehen „Campanile Sera“ war, wo sich die Einwohner verschiedener Städte einer Reihe an Wettkämpfen stellten und die Ehre ihrer Stadt verteidigten. Und Bergamo und Brescia, beides stolze norditalienische Industrie- und Kulturzentren, haben diesen Wettkampf auf allen Ebenen ausgetragen.
Aber abgesehen von geschichtlichen Ereignissen und Anekdoten im Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadt-Titel von Bergamo und Brescia, ist unser Interesse an den beiden wunderschönen Städten natürlich auch turistischer und gastronomischer Natur. Die (nicht nur kulinarischen) Gründe, ein Wochenende in dieser Gegend zu verbringen sind zahlreich, weshalb wir Ihnen einen Besuch beider Städte nur ans Herz legen können.
Ihr Wettstreit hat zu einer Vielfalt an kulturellen und kulinarischen Errungenschaften in beiden Städten geführt, die diese Gegend der Lombardei absolut sehens- und erfahrenswert machen.


UNESCO Kulturerbe
Die Lombardei ist die Region mit der größten Anzahl an UNESCO Kulturerbestätten: antike Ausgrabungsstätten, religiöse, industrielle und architektonische Meisterwerke. Natürlich tragen Brescia und Bergamo ihren Teil dazu bei: Im Herzen Brescias befindet sich der San Salvatore – Santa Giulia Klosterkomplex und der Brescia Romana Archeo-Park. Bergamo ist durch die berühmten „Mura Venete“ – die venezianischen Mauern – befestigt. Zahlreiche weitere historische Stätten und eindrucksvolle Naturschausplätze bereichern die beiden Provinzen außerhalb der beiden Städte.
Das Stadtzentrum
Da wir sie bereits erwähnt haben: Im direkten Vergleich liegen die beiden Fußgängerzonen im Herzen der beiden Städte gleichaufes ist so gut wie unmöglich einen Gewinner zu küren.
In der Cittá Alta von Bergamo, die das Herz des oberen Stadtteils darstellt (auch Bèrghem de sura genannt), folgt ein prachtvoller Palazzo auf den nächsten, besonders rund um die majestätische Piazza Vecchia. Man kann die Piazza entweder zu Fuß über einen herrlichen Panorama-Spazierweg, oder, schneller und bequemer, mit der Seilbahn erreichen. Abgesehen von den „weltlichen“ Perlen, hat auch der sakrale Teil der Stadt einiges zu bieten, wie die Basilica di Santa Maria Maggiore, ein echtes Barock-Kunstwerk.
Während diese Kirche vor Prunk und Glanz nur so strotzt, ist der einfache und würdevolle Duomo Vecchio di Brescia ebenso faszinierend. Sein Alleinstellungsmerkmal in Italien ist der kreisförmige Bau, der für romanische Kirchen auf der Halbinsel ungewöhnlich ist.
Auf einem Spaziergang durch Brescia fühlt man sich wie auf einer Reise durch die Zeit: vom Alten Rom und dem gut erhaltenen Tempio Capitolino Tempel, bis hin zum modernen Flair der Piazza della Loggia, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Eine überschaubare, wunderschöne und faszinierende Altstadt.
Den Sieger zwischen den Städten zu küren gestaltet sich als noch viel schwieriger, wenn wir den Wettbewerb von kulinarischer Seite betrachten.
Käse
2021 wurde Bergamo der Titel „Italienische Stadt des Käses 2021“ vom Italienischen Verband der Käseverkoster verliehen. Den Titel hat die Region ihren 9 Käsen mit geschützter Ursprungsbezeichnung zu verdanken: vom Formai de Mut, was so viel wie „Bergkäse“ bedeutet, über den berühmen Taleggio, Bitto oder Strachitunt, einem natürlichen Blauschimmelkäse und Vorgänger des Gorgonzola.

Natürlich kann auch Brescia zahlreiche Käsespezialitäten vorweisen, wie den Bagòss, der nur auf den Almen von Bagolino in Valsabbia hergestellt wird. Brescia kann sich außerdem mit dem Silter rühmen einem Almkäse mit charakteristischem Duft nach Bergwiesen, welcher ihm von den Almaufenthalten der Kühe verliehen wird.
Natürlich gibt es aber noch dutzende weniger bekannte Käse: Wenn man alle lokalen Käse probieren möchte, müsste man dafür mindestens 3 Mahlzeiten einplanen.
Tipp: Wenn Sie mehr über italienischen Käse erfahren möchten, sollten Sie in unserer Rubrik “Immer dem Käse nach“ stöbern
Typische Gerichte
Wenn man mit dem Käse beginnt, öffnet man unweigerlich die Tür zum gesamten kulinarischen Panorama Brescias und Bergamos, auch weil die Polenta Taragna in beiden Gegenden als beliebte Ergänzung zu den 50 verschiedenen Käsenuancen gilt – dafür wird geschmolzener Käse unter den traditionellen Maisbrei gemischt. In der gesamten Lombardei wird Polenta in allen ihren Varianten verehrt: Um mehr zu erfahren, haben wir einen Artikel über die Polenta-Varianten für Sie zusammengestellt.
Wenn wir uns den Vorspeisen zuwenden, müssen wir bei den Casoncelli beginnen, die in beiden Regionen oft und gerne auf den Tisch kommen. Es handelt sich dabei um frische Ravioli, die traditionell mit einer Mischung aus Schweine- und Rindfleischresten, Amaretti-Keksen, Rosinen, Brotbröseln, Knoblauch und Zitronenschale gefüllt werden. Die Casoncelli werden dann mit geriebenem Käse, geschmolzener Butter, Pancetta-Speck und Salbei serviert.
Bergamo, modern in seinen Traditionen, ist auch für eine vegetarische Variante des Gerichts bekannt: Scarpinocc – ebenfalls Ravioli – gefüllt mit Käse, Eiern, Butter und Brotbröseln.
In Brescia galten die traditionell fleischlosen Gerichte oft als Arme-Leute-Essen und sind – wie der Reis mit Leimkraut-Trieben oder Barghe-Suppe mit Pilzen – eine Ode an die Kreativität der Einheimischen und ihre Liebe zu den lokalen Zutaten.
Zu den lokalen Klassikern, die Sie unbedingt probiert haben müssen, gehören Bigoli: Mit einem „Torchio“ genannten Gerät werden die Spaghetti-artigen, dicken, porösen Nudeln hergestellt. Sie sind typisch für einen größeren Teil Italiens, von der östlichen Lombardei bis zum Veneto und sind besonders in Kombination mit Ente eine wahre Köstlichkeit. Wenn Sie sie nachkochen möchten, können Sie unserem Rezept für Bigoli mit Entenragù und Erbsen folgen.


In dieser Gegend wird aber nicht nur Tradition gelebt. Ebenso herrscht hier großer Innovationsgeist und kulinarische Handwerkskunst: Nicht umsonst ist Bergamo Heimat von zehn Sternerestaurants und Brescia von dreien. Die Liebe zum Essen wird hier an vielen Orten, vom einfachen Gasthaus bis zum Fine-Dining-Lokal zelebriert.
Ein kleiner Exkurs zum Thema Wein: In Bergamo gibt es einige Weine aus kontrolliertem Anbau und mit streng definierten Anbaugebieten, wie den roten und weißen Valcalepio Doc, oder den Moscato di Scanzo Docg.
Aber in der Gegend um den Iseo-See in Brescia befindet sich eines der berühmtesten Weinbaugebiete Italiens, das Jahr für Jahr exzellente Weine hervorbringt, die sich mit dem berühmteren Champagner messen können. Der Franciacorta ist ein kleines Meisterwerk und seine präzise festgelegten Anbauflächen sind eine echte Augenweide.
Wenn man sich das Gesamtbild ansieht, stellen die beiden Provinzen zusammen ein herrliches Mosaik aus Kunst, Kultur, Geschichte, Gastronomie und Natur dar, das man sich unabhängig von der Jahreszeit keineswegs entgehen lassen sollte. In unserem Ranking der Italienischen Städte teilen sich die beiden ganz harmonisch denselben Platz.