Zuhause nannten wir ihn einfach „den Kuchen“ und meine Großmutter war die unangefochtene Königin dieses Gebäcks. Als ich und meine Geschwister noch klein waren, war es der Kuchen, den sie für uns backte, wenn wir bei ihr übernachteten. Wir aßen ihn zum Frühstück, aber fingen an auch abends, als er noch heiß waren, davon zu naschen (meine Großmutter ärgerte sich sehr darüber, oder tat zumindest so).
Dieses Rezept war für uns immer Ausdruck ihrer Liebe: sie war eine Frau, die nicht besonders gern kochte, oder eher, die komplexen Gerichten nichts abgewinnen konnte, sondern stattdessen einige wenige einfache aber dafür immer gelungene Gerichte zubereitete, die unsere ganze Kindheit prägten.
Ihr Ricotta-Kranzkuchen war so köstlich, dass wir als Erwachsene angefangen haben, uns den Kuchen von ihr zu besonderen Anlässen, wie Familien-Geburtstagen, zu wünschen. Sie freute sich darüber, war aber gleichzeitig auch überrascht: „Den Ciambellone? Den Frühstückskuchen?“. Keine Konditorei-Torte kam für uns jemals an den Kranzkuchen unserer Großmutter heran, der über die Jahre alle Geburtstagskerzen der Familie beheimatet hat.
Das Geheimnis dahinter, so sagte sie, liege in der Auswahl und Verarbeitung der Ricotta: sie verwendete mit Vorliebe piemontesische Ricotta, „die eignet sich für Desserts am besten“ und rührte sie für eine lange Zeit. Meine Geschwister und ich wetteiferten darum, ihr beim Backen helfen zu dürfen, aber der Zubereitungsschritt, bei dem die Ricotta gerührt wird, blieb immer ihr vorbehalten. Und so gaben wir uns damit zufrieden, ihr bei den weiteren Schritten zur Hand zu gehen und ihr die Eier, das Mehl und Backpulver, die Zitronenschale und die Vanille zu reichen.